Das Prototypen-Paradoxon: Geschwindigkeit vs. Detailtreue beim Kunststoffspritzguss
Die Prototypenfertigung im Spritzgussverfahren bewegt sich in einer Grauzone: Ingenieure fordern seriengleiche Teile von gestern, während Werkzeugmacher heute realisierbare Werkzeugkonstruktionen benötigen. Dieser Konflikt führt zu Kompromissen, die erst dann sichtbar werden, wenn sich die Teile verziehen, einsinken oder reißen. Anders als bei der Serienfertigung hat die Prototypenfertigung im Spritzgussverfahren Vorrang vor der Werkzeugstandzeit – was CNC-Strategien erfordert, die in den meisten DFM-Leitfäden vernachlässigt werden.
Die stillen Kompromisse beim Formenbau: Angussgeometrie und Kühlungsrealitäten
Jede Entscheidung beim Prototypen-Spritzgießen wirkt sich auf die Endprodukte aus. Die Wahl der Angussposition verdeutlicht dies besonders deutlich: Serienwerkzeuge verwenden sequenzielle Heißangüsse, während Prototypen auf manuell gefräste Kaltangüsse angewiesen sind. Ein Medizintechnik-Startup musste dies schmerzlich erfahren, als seine 0,8 mm dünnen ABS-Mikrofluidikkanäle mit geraden Angüssen vorzeitig erstarrten. Der Einsatz von abgewinkelten Scheranschnitten reduzierte den Fülldruck um 401 TP3T – erforderte jedoch zweimaliges EDM-Verfahren am Prototypen-Formeinsatz. Kühlkanäle stellen einen weiteren Kompromiss dar: Zwar verkürzt die konturnahe Kühlung die Zykluszeiten um 301 TP3T, doch rechtfertigen Prototypenformen die Kosten selten. Praktische Alternativen sind CNC-gebohrte gerade Kanäle mit Berylliumkupfer-Einsätzen für Hotspots. Additiv gefertigte konturnahe Einsätze werden nur für Validierungen mit mehr als 500 Schüssen verwendet. Oberflächenbeschaffenheiten zeigen weitere Einschränkungen auf: Strukturierte Oberflächen (z. B. VDI 3400) kaschieren Einfallstellen in der Produktion, aber CNC-gefräste Prototypenformen erreichen maximal SPI B-1 (Körnung 600). Bei Unterhaltungselektronik kann durch Kugelstrahlen in Kombination mit Teflon-Spray die Textur von MT-11050 zu einem Fünftel der Kosten nachgeahmt werden.
Die entscheidende Rolle der CNC-Bearbeitung für die Formintegrität
Prototypenformen für den Spritzguss versagen aufgrund von Belastungen, die Produktionswerkzeuge routinemäßig aufnehmen. Fehlausrichtungen von Kern und Kavität – eine häufige Fehlerursache – werden durch drahterodierte Verriegelungen in Kombination mit Schablonenschleifen verhindert, um eine Parallelität von ≤ 0,015 mm zu gewährleisten. Die Gratbildung an der Trennlinie wird durch Hochgeschwindigkeitsbearbeitung (HSM) minimiert, wodurch eine Oberflächenrauheit (Ra) von 0,4 μm bei 30°-Entformungswinkel erreicht wird. Probleme mit klemmenden Auswerferstiften werden durch tiefgezogene Bohrungen in Kombination mit gehonten Führungen gelöst, die Gleitpassungen der Größen H7/g6 sicherstellen. Ein Robotikunternehmen vermied katastrophale Verzögerungen von 12 Wochen, indem es Prototypenkerne aus P20-Stahl anstelle von Aluminium fertigte – ein entscheidender Faktor für die Beständigkeit gegenüber den 20 Tonnen Schließkräften während der Validierungsversuche mit glasfaserverstärktem Nylon.

Verzugskrieg: Verformungen vor dem Schneiden von Metall vorhersagen
Beim Prototypen-Spritzgießen von Kunststoffen wird Verzug durch unkonventionelle Taktiken bekämpft. Materialschrumpfung – wie beispielsweise die orthotrope Schrumpfung von 0,2–0,5% bei GF-PA6 – wird mithilfe von Testkavitäten kompensiert: Zunächst wird eine übergroße Kavität (+0,8% XYZ) CNC-gefräst. Anschließend wird eine Kurzschussanalyse mit fünf Schüssen mittels Moldflow-Simulation durchgeführt, bevor die endgültige Kavität auf korrigierte Schrumpfungswerte nachbearbeitet wird.
Thermische Verformungen in dünnen Rippen stellen eine weitere Herausforderung dar. Diese wird durch das Einbetten von Wärmerohren aus Kupferlegierung in der Nähe kritischer Bauteile und die Bearbeitung der Formoberflächen mit einer thermischen Ausdehnungskompensation von 0,1–0,3° minimiert. Solche präzisen Anpassungen verhindern unterschiedliche Kühleffekte, die zu Verformungen in schlanken Geometrien führen können.
Fehlberechnungen der Klemmkraft verschärfen diese Probleme. Zu geringe Klemmkraft verursacht Gratbildung, zu hohe Klemmkraft führt zu Kernverformungen. Für Prototypen mit weniger als 500 Schüssen berechnen Sie die erforderliche Kraft wie folgt:
Eine strategische CNC-Versteifung wird dann nur bei Platten angewendet, bei denen die Durchbiegung 0,05 mm überschreitet – so werden unnötige Werkzeugkosten vermieden und gleichzeitig die Dimensionsstabilität gewährleistet.
Qualitätsvalidierung: Mehr als nur kosmetische Prüfungen
Die Prototypenfertigung im Spritzgussverfahren erfordert eine Messtechnik, die über herkömmliche kosmetische Prüfungen hinausgeht. Die Erkennung innerer Lufteinschlüsse erfordert Mikro-Computertomographie (Mikro-CT), um Lufteinschlüsse kleiner als 50 µm in dicken Bereichen zu identifizieren – entscheidend für das Erkennen dielektrischer Ausfälle in der Nähe von Steckverbinderstiften, wo bereits 0,07 mm große Lufteinschlüsse die Funktion beeinträchtigen. Die Quantifizierung von Einfallstellen erfolgt nicht mehr mittels subjektiver Glanzmessgeräte, sondern objektiver Profilometrie: Zunächst werden Rippen mit einer Nenndicke von 50-200% maschinell geprüft, anschließend wird die Einfalltiefe mittels Laser-Konfokalmikroskopie gemessen. Die Analyse von Angussresten untersucht Spannungsspitzen, die durch manuelles Beschneiden entstehen, indem CNC-bearbeitete Angüsse mit handgeschnittenen Scheren verglichen werden. Die Validierung erfolgt durch REM-Bruchpunktanalyse von Zugproben.
Strategisches Prototyping: Wann welches Verfahren anwenden?
Nicht jedes Prototypenprojekt im Kunststoffspritzgussverfahren rechtfertigt Stahlformen. Für einfache Form- und Passungsprüfungen liefert die CNC-gefräste Ren Shape mit Aluminiumformen 20–50 Schüsse in 3–5 Tagen zu Basiskosten. Materialvalidierungen mit 100–300 Schüssen profitieren von P20-Stahl mit H13-Kernen, die in 12–16 Tagen zu 3–5-fachen Kosten abgeschlossen werden können. Zulassungstests mit 500–1.000 Schüssen erfordern gehärteten Stahl mit EDM-Bearbeitung, was über 25 Tage dauert und 8–12-fache Kosten verursacht. Entwickler von Medizinprodukten sparen regelmäßig über 150.000 Euro, indem sie Prototypenformen aus Aluminium für Biokompatibilitätsstudien verwenden, bevor sie Produktionsanlagen in Betrieb nehmen.
Fazit: Prototyping als Schmelztiegel der Produktion
Die Prototypenfertigung im Spritzgussverfahren dient als ultimativer Belastungstest für die Produktion und nicht als deren Schatten. Die während der Prototypenfertigung auftretenden Vorhersagen zu Verzug, Angussfehlern und Kühlungsproblemen verhindern kostspielige Werkzeugfehler im weiteren Produktionsverlauf. Wenn CNC-Strategien auf Materialphysik statt auf DFM-Dogmen basieren, wird dieses Verfahren zum wirksamsten Instrument der Risikominderung in der Fertigung.
AUFRUF ZUM HANDELN:
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